Innerer Kritiker

3 Dinge, die man über den eigenen inneren Kritiker wissen sollte

Was hat er früher randaliert, mein Innerer Kritiker. Im Randalieren war er große klasse. Besonders hartnäckig war er, wenn es ums Schreiben ging. Ständig hat er sich eingemischt:

„Du musst noch das Bad putzen, sei doch nicht so verantwortungslos, du kannst dich jetzt nicht hinsetzen und schreiben, wenn das Bad wartet.“ Also habe ich das Bad geputzt, anstatt zu schreiben.

„Was du bisher so geschrieben hast, war ja ganz nett, aber das mit dem Literaturwettbewerb, das schaffst du nie, da sind die Profis, du bist nur eine mittelmäßige Anfängerin.“ Also habe ich den angefangenen Text nie zuende geschrieben.

„Du willst doch nicht ernsthaft DARÜBER schreiben, das ist voll peinlich, wenn das die Leute lesen, was denken die dann über dich, das kannst du nicht machen!“ Also hab ich den Stift weggelegt.

Früher war er ziemlich laut, heute ist er leiser geworden, mein Innerer Kritiker. Was vermutlich auch daran liegt, dass ich ihm heute besser als zuhöre als früher, er muss sich einfach nicht mehr so lautstark empören. Er kann jetzt ankommen und sagen: „Meinst du nicht, dass das peinlich wird, wenn du dich auf die Bühne stellst und da was vorliest?“ Und ich sage ihm: „Ja, das könnte es werden, aber wir kriegen das hin.“ Und dann stelle ich mich mit meinem Text auf die Bühne.

Was ist passiert?

Ich habe verstanden, wer dieser Innere Kritiker ist und was er will. Ich habe gelernt, mit ihm besser zu kommunizieren – oder genauer gesagt, überhaupt mit ihm zu kommunizieren. Drei Erkenntnisse haben mir dabei geholfen.

Der Innere Kritiker will immer das Beste

Früher hab ich meinen Inneren Kritiker gehasst. Ich wollte den nicht in meinem Leben haben. Nicht nur, weil ich völlig genervt war, sondern auch weil ich von außen gehört habe, dass mit mir was nicht stimmt: „Du bist viel zu perfektionistisch und viel zu selbstkristisch, das ist das Problem.“ Der Innere Kritiker ist aber gar nicht das Problem. In der Regel ist er ein kluger Kerl (oder auch eine kluge Frau), der eine genaue Beobachtungsgabe hat und sich sehr viele Gedanken um das Wohlergehen seines Besitzers hat. Er will, dass sein Besitzer alles richtig macht. Dass er nicht sozial aneckt, dass er nicht aus dem Rahmen fällt, dass er Menschen hat, die ihn mögen, und nicht einsam und isoliert ist. Eigentlich eine sehr nette Sache, oder?

Der Innere Kritiker hat furchtbar Angst

Der Grund, weshalb der Innere Kritiker sich ständig einmischt, ist, dass er Angst um mich hat. Und zwar vor allem. Und er glaubt, dass es immer um Leben und Tod geht. Er hat panische Angst… wie ein Kind, das nachts in einer finsteren Zimmerecke sitzt und höllische Angst vor der Dunkelheit hat und nicht weiß, dass es so etwas wie einen Lichtschalter gibt. Mein Innerer Kritker glaubt, dass ich sterben werde, wenn ich mich öffentlich blamiere, wenn ich negativ auffalle, wenn ich etwas nicht gut hinbekomme. Und er versucht mich nach besten Kräften zu beschützen – indem er mich davon abhält, eine „Dummheit“ zu begehen.

Der Innere Kritiker braucht Trost

Als ich das verstanden hatte, sah ich meinen Inneren Kritiker mit anderen Augen. Wie konnte ich ihn nur ständig wegschicken, aus meinem Leben verbannen und versuchen zu ignorieren? Ein verängstigtes Kind braucht Trost, Verständnis und Mitgefühl. Also habe ich angefangen, meinen Inneren Kritiker in Gedanken zu fragen, wovor er eigentlich Angst hat. Zum Beispiel, wenn ich schreibe. Es war anfangs merkwürdig, ihm zuzuhören, und es war überaus erstaunlich, worüber sich der kleine Kerl Sorgen machte. Eigentlich war es sogar spannend. Und dann habe ich angefangen, ihn in Gedanken zu umarmen. Ich habe ihm immer wieder versichert, dass ich ihn und seine Ängste verstehe, dass ich ihn furchtbar tapfer finde und dass ich dafür sorge, dass alles gut wird. Kein großer Akt, aber für meinen Inneren Kritker ein Riesen-Ding, er fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben etwas sicherer.

Heute mag ich meinen Inneren Kritiker. Ich stelle ihn mir vor, wie er zum Beispiel genau jetzt ankommt, verwirrt und besorgt, aber sehr engagiert und mit Feuereifer bei der Sache:

„Willst du das wirklich machen, diesen Artikel über mich zu veröffentlichen? Das könnte ganz GANZ fies ins Auge gehen, echt, die Leute werden denken, du bist bekloppt und dann schreiben die schlimme Kommentare und du wirst sterben.“

Ist er nicht von allen Inneren Kritikern der coolste und liebenswürdigste Typ?

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