
Die Kraft des Alleinseins
Ich hadere immer wieder damit, dass viel lieber alleine als unter Menschen bin. Dass ich meistens diejenige bin, die von der besten Party des Jahres als Erste nachhause geht. Dass ich den Rückzug und das Alleinesein brauche wie die Luft zum atmen.
In meiner Vorstellung ist das irgendwie nerdig… und einfach uncool.
Ich hadere dann auch mit meinen hochsensiblen Sinnen. Dass ich so viel sehen und hören kann, dass mich Eindrücke so schnell überwältigen. Dass mich größere Gruppen und Menschenmengen überfordern und ich kaum weiß, wohin mit all dem, was auf mich einprasselt.
Die Einzelgängerin in mir kämpft dann mit der Menschenliebhaberin in mir. Die Menschenliebhaberin will Kontakt, Gespräche, Nähe und möchte auf keinen Fall die erste sein, die die Party verlässt. Die Einzelgängerin in mir will einfach nur alleine sein, alleine mit den eigenen Gedanken und Gefühlen… weil die eigentlich schon reichen.
Gestern abend habe ich einer Freundin davon erzählt… und sie meinte: Aber darf nicht auch beides sein? Geht das nicht irgendwie auch ganz gut zusammen?
Irgendwie hat sie Recht. Denn eigentlich ist dieses Alleinsein-Wollen mein allertiefstes Bedürfnis. Ich hatte es schon als Kind, wenn ich lieber alleine vor mich hingemalt habe, anstatt mit anderen zu spielen, und ich habe es noch immer. Und je mehr und tiefer ich mich auf das einlasse, was ich „kreative Lebensführung“ nenne, desto größer ist dieses Bedürfnis.
Heute zum Beispiel liegt ein leerer Tag vor mir. Keine Termine, keine sozialen Verpflichtungen. Wenn ich will, muss ich heute mit niemandem reden und niemandem begegnen. Und wenn ich ehrlich zu mir bin, dann ist das absolut keine Katastrophe – sondern es erfüllt mich mit tiefer Freude.
So viel Zeit!
So viel Stille!
So viel Kreativität, die in mir drin sprechen darf!
Alleinsein – das versuche ich mir immer wieder vor Augen zu führen – ist absolut nichts Schlechtes. Und es bedeutet auch nicht, dass ich „asozial“ wäre. Ich liebe Menschen, ich liebe gute Gespräche, ich liebe den inniglichen und aufrichtigen Kontakt. Aber gerade weil ich so feine Sinne habe, brauche ich mehr Zeit als andere, um mich davon zu erholen.
Tatsächlich ist das Alleinsein die Quelle meines Schreibens und meiner Kunst. Das Alleinsein ist der Kraftort, an dem ich sicher und ruhig vor mich hinarbeiten kann – ohne falsche Ansprüche, nur mir und meinem Wollen verpflichtet.
Interessanterweise bin ich, wenn ich alleine bin, alles andere als einsam. Im Gegenteil, all das, was ich in der Zwischenzeit erlebt habe, ist noch in mir präsent: Gesichter zum Beispiel. Sätze oder Worte, mitsamt ihrem Klang und ihrer Sprechmelodie. Manchmal sind es auch Gerüche, Oberflächenstrukturen, bestimmte Arten von Licht, die ich in mir drin trage – die ich dann für meine Texte nutze.
Und noch etwas scheint mir ganz wesentlich: Alleinsein ist die Voraussetzung für mich, um ein soziales Wesen zu sein. Während ich alleine bin, sortieren sich die Dinge in mir. Und wenn ich dann wieder unter Menschen gehe, bin ich wach und präsent – bereit dabei zu sein und mich einzubringen.
So wie es aussieht, lohnt sich das Alleinesein für mich. Und es lohnt sich, diesem Wunsch immer wieder nachzugeben… und mehr und mehr der Stille Raum zu geben.
Und wenn es dir ähnlich geht wie mir, dann will ich dir sagen: Lass dir dein Eigenbrötlertum nicht ausreden. Bleib standhaft, was das Alleinsein-Wollen angeht. Suche die Stille, die unendliche Weite des Raums, indem du ungestört schreiben und kreativ arbeiten kannst. Es ist in Ordnung alleine in diesem Raum zu sein – er gehört dir.
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Hallo Franziska,
das ist sehr schön beschrieben. Ich kann das so gut nachvollziehen. Möchte noch lernen/üben, auch vor anderen selbstverständlicher dazu zu stehen.
Liebe Gudrun!
Oh ja, das kann ich gut verstehen! Ich habe tatsächlich die Erfahrung gemacht habe, je besser und tiefer ich mich selbst verstehe, desto mehr Akzeptanz kommt mir auch von außen entgegen. Ich erzähle meistens nicht, dass ich „hochsensibel“ bin (das Wort ist ja auch nicht sonderlich sexy :-)), sondern ich erkläre, dass ich mehr Ruhe und Zeit zum Auftanken brauche als andere, dass es mir gerade zu viel Trubel ist, oder dass ich länger fit bin, wenn ich zwischendrin eine Pause einlege und mich zurückziehe. Erstaunlicherweise haben die meisten Menschen mehr Verständnis, als man denkt! Insofern kann ich dir nur die Daumen drücken, dass du einen Weg zu mehr Selbstverständlichkeit findest…
Ganz liebe Grüße, Franziska
Huhu, in diesen Zeilen erkenne ich mich sehr gut wieder, danke dafür. Ich bin sehr gern allein, auch wenn ich sehr gut in Gesellschaft sein kann. Manchmal ertappe ich mich, dass ich inmitten von fröhlich lachenden Menschen, (z.b. auf einer Party) darüber nachdenke, was ich vermissen würde, wäre ich jetzt allein. Dabei bereue ich mein Erscheinen hier keine Sekunde. Manchmal kommt vor, dass ich mich dann ziemlich komisch finde. Meistens aber muss ich lachen. Und dann gehe ich einfach. Ich habe mich an mich gewöhnt. Und ich freue mich auf die nächste Party. Ganz sicher!
Liebe Nike,
da bist du nicht die Einzige! „Ich habe mich an mich gewöhnt“ ist ein super Satz… gefällt mir! Genau so ist das wohl 😉
Ganz liebe Grüße!
Huhu, in diesen Zeilen erkenne ich mich sehr gut wieder, danke dafür. Ich bin sehr gern allein, auch wenn ich sehr gut in Gesellschaft sein kann. Manchmal ertappe ich mich, dass ich inmitten von fröhlich lachenden Menschen, (z.b. auf einer Party) darüber nachdenke, was ich vermissen würde, wäre ich jetzt allein. Dabei bereue ich mein Erscheinen hier keine Sekunde. Manchmal kommt es vor, dass ich mich dann ziemlich komisch finde. Meistens aber muss ich lachen. Und dann gehe ich einfach. Ich habe mich an mich gewöhnt. Und ich freue mich auf die nächste Party. Ganz sicher!
oh welch eine berührende Offenbarung. und da schwingt soviel – oh ja genau fühlt sich das bei mir an. und meine kosmischen helferlein da oben – du weisst schon;-), die bekommen jetzt bestimmt einen süssen kicheranfall. also zumindest ich mit mir und über mich. denn das was du so wundervoll auf den punkt bringst, tönt in mir nach einer ganz schön „spannenden“ beziehung deiner „elemente“. dein gefühlvoller, intuitiver, introvertierter anteil (viel wasser/mond) hüpft im dreieck, wenn dein feuriges, impulsives, spontanes wesen (Feuer – Sonne) einfach mal wieder einen drauf machen möchte. … und so schön, wie es deine freundin beschrieben hat: darf denn nicht BEIDES sein. ganz in DEINEM mischverhältnis… JA, du hast es wundervoll beschrieben – DANKE dafür
Nur ist es gar nicht so leicht, das Mischverhältnis zu finden, das irgendwie richtig ist… 😉 Liebe Grüße an Sonne, Mond und Sterne!