Tu's! Mach's! Zeig dich!

Tu’s! Mach’s! Zeig dich!

Eines der lustigsten Wunder, mit denen mich das Leben beschenkt, ist das Seminar „Kreatives Schreiben“, das ich jeweils zu Semesterbeginn im Rahmen der Kreativwoche für Studenten der Sozialen Arbeit in Weingarten halte. Und das wahrscheinlich allerlustigste Wunder ist jener Student, der dieses Seminar nun schon zum dritten Mal besucht hat – nicht, weil er die Punkte bräuchte, sondern weil er dieses Seminar einfach gut findet (was ihm erst mal große Blicke seiner Kommilitonen beschert hat).

Jener Student hat ein großes Herz für Musik, liebt Reim und Rhythmus, und schüttelt mit Leichtigkeit Verse und Textzeilen aus seinem Handgelenk. Gleichzeitig hält er das, was er da an Schätzen in sich trägt, unter Verschluss. Er hasst es vor großer Runde vorzulesen und bleibt am liebsten still im Hintergrund – während ich ihm immer zurufen möchte: „Mann!!! Zeig mal, was du da hast! Zeig das her!!!“

Ich glaube, dieser Student erinnert mich an mich.

Daran, wie schwierig es ist, eine Leidenschaft für etwas zu haben… und dadurch verletzlich zu sein (denn man könnte ja auch Ablehnung stoßen). Daran, wie schwierig es ist, sich hinauszuwagen mit dem eigenen kreativen Tun, völlig egal, wie die anderen reagieren. Zu sagen: „Verdammt, dafür brenne ich. Verdammt, das ist mir wichtig. Verdammt, so sieht es in meiner Welt aus.“

Wenn ich dieses Seminar halte, dann bin ich verdammt verletzlich. Ich gehe zu Menschen, die mich nicht kennen, und erzähle ihnen von meiner Leidenschaft, dem Schreiben. Ich teile das wichtigste und kostbarste, was ich zu geben habe. Und komme dabei immer wieder an Punkte, an denen ich am liebsten zurück möchte in mein Mauseloch.

Zum Beispiel, als ich sich in der Vorstellungsrunde herausgestellt hat, dass etwa die Hälfte aller Studenten eigentlich lieber am Seminar „Geocaching“ teilgenommen hätten, der aber leider schon voll war – und sie mehr oder weniger unfreiwilligerweise beim Kreativen Schreiben gelandet sind. Ein Teil von mir hätte in jenem Moment am liebsten gesagt: „Ja, ne, wisst ihr, das mit dem Schreiben, das ist gar nicht so wichtig, ihr habt Recht, Geocaching ist viel cooler, und naja, das, was ich vorbereitet habe, das ist nicht der Rede Wert, wir lassen das am Besten sein.“

Was ich nicht gesagt habe. Stattdessen habe ich vertraut. Darauf, dass das, was ich zu teilen habe, einen Wert hat. Dass es wichtig ist. Ich hab’s gemacht. Ich hab mich gezeigt. Ich hab mich voll reingeworfen.

Mit dem Ergebnis, dass die Studenten am Ende mit strahlenden Augen aus dem Seminar gegangen sind.

Weil sie Neues ausprobier hatten, weil sie etwas über sich entdeckt hatten. Weil sie Hemmungen abgelegt hatten, und unbekümmert kreativ waren.

Ich glaube, dass es nur so funktioniert. Dass dort, wo einer beginnt, über seinen Schatten zu springen, alle mutiger werden. Dass dort, wo einer sich verletzlich zeigt, alle verletzlicher sein dürfen. Dass dort, wo einer seine Schätze hervorholt und ins Licht hält, alle beginnen zu leuchten.

Und genau deshalb, ihr Lieben, rufe ich euch zu: Tut es! Macht es! Zeigt euch! Was immer es ist, was ihr da unter Verschluss haltet, holt es ans Licht. Vertraut darauf, dass eure Fähigkeiten und Besonderheiten, eure Gedanken und Ideen gebraucht werden … und dass immer dann, wenn ihr eure kreativen Schätze ans Licht bringt, andere auch beginnen, ihre Schätze zu zeigen.

Und wenn wir etwas auf dieser Erde brauchen, dann sind das Menschen, die aus dem Gefühl von Fülle heraus leben und arbeiten, und die mit dem, was sie tun, andere inspirieren, unterstützen und zum Leuchten bringen.

Oder?

Foto: Franziska Schramm

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