
Vom Aufgeben
Ich muss sagen, ihr Lieben, ich finde es schwierig zu entscheiden: Wann man aufgeben soll. Wann man einsehen soll, dass man auf dem Holzweg ist. Wann man besser sagt: Okay, so funktioniert es nicht, dann lass ich es eben.
Das kann zum Beispiel ein Text sein, der einfach nicht gelingen will. Das Material ist gut, die Ursprungsidee auch… aber dann geht es einfach nicht weiter. Nada. Niente. Über den ersten Anfang komme ich einfach nicht hinaus. Und alle Bemühungen scheinen den Text eher zu verbessern als zu verschlechtern.
Herjeh, wieviele dieser Skelette ich auf meiner Festplatte liegen habe! Wieviele halbgare Anfänge, wieviele vage Versuche, wieviele unausgebrütete Ideen, die nie ganz ans Licht kommen wollten.
Wann gibt man auf?
Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Bei Texten erscheint es mir einfach: Ich lasse sie einfach liegen, schaue in unregelmäßig regelmäßigen Abständen wieder vorbei und prüfe, ob das, was mir zwischenzeitig banal, schlecht, dürftig und mittelmäßig vorkam, doch noch einen Funken in sich trägt, der es Wert ist, dass ich mich um ihn kümmere.
Manchmal passiert dann die Magie, manchmal fällt mir – Jahre später – ein neuer Einfall zu, oder ich verstehe plötzlich, worum es geht. Und dann ist der Text doch noch etwas Wert und wird mit Leben erfüllt und ich schreibe ihn zu Ende.
Wie ist es aber mit den anderen Dingen? Was, wenn ich am liebsten alles aufgeben würde? Nicht nur einen einzelnen Text, sondern meine gesamte Kunst? Wenn ich mich frage, ob ich wirklich darauf beharren sollte, dass ich Autorin bin? Wenn ich am liebsten sagen würde: Okay, ich bin hier auf dem Holzweg, ich habe mich geirrt, ich bin einfach nicht gut genug und ich lasse das jetzt – ich werde Ponys züchten, darin bin ich erfolgreicher.
Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Ich weiß nur, dass Aufgeben nicht möglich ist, solange mich diese Option unendlich traurig macht. Wenn sich alles in mir zusammenkrampft, wenn ich darüber nachdenke, das Schreiben aufzugeben. Wenn mich die Idee, alles in den Wind zu schießen, noch trauriger macht als mein momentanes, kurzfristiges Scheitern.
Und vielleicht ist genau das, das Geheimnis.
Manchmal ist aufgeben nur ein Zwischenstadium, ein vorübergehendes Ad-Acta-Legen… bis sich etwas in uns tut. Bis wir neuen Mut gefunden haben, neue Ideen, neue Möglichkeiten, neue Türen, die sich öffnen. Aufgeben ist dann eher ein Abwarten. Sich sammeln. Neu ansetzen.
Dann ist Aufgeben eine Option.
Aber wenn es ums große Ganze geht – um eine Richtung, die wir einmal eingeschlagen haben mit dem Entschluss, Autorin oder Autor sein zu wollen – dann ist Aufgeben keine wirkliche Option. Weil wir dann gegen uns selbst arbeiten. Uns klein stutzen. Uns selbst etwas nehmen, was unser Herz zum Pochen bringt.
Dann ist Aufgeben keine Option, sondern eine wirklich dumme Idee. Denn wir haben doch schon einen Teil des Weges hinter uns gebracht. Und wo wir doch schon mal so weit gekommen sind, dann wollen wir doch auch wissen, wie die Geschichte – unsere eigene Geschichte – ausgeht. Was da noch so kommt. Wohin der Weg uns führt.
Und dann können wir uns gerne mal zwischenzeitig heulend an den Straßenrand setzen.
Aber dann geht’s weiter.
Okay?
Foto: „Know Hope“ by RJ (CC BY-SA 2.0)
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