Warum ich die Write-it-yourself-Bewegung mag

Ich beobachte mit Freude, dass es im deutschsprachigen Raum so etwas wie eine Write-it-yourself-Bewegung gibt. Menschen, die keinen Bock haben, das Schreiben immer nur den Profis zu überlassen. Die sich in Internetforen und Schreibwerkstätten, auf Blogs und Lesebühnen kreativ austoben. Die Lust am Erzählen, am Umgang mit ihrer Sprache haben, unabhängig davon, ob sie sich selbst als „Autoren“ sehen oder nicht.

Mir gefällt dieser unkomplizierte Umgang mit dem Schreiben – denn selbstverständlich ist er eigentlich nicht.

Dass die „Masse“ schreibt, ist im deutschsprachigen Raum eigentlich etwas eher Anrüchtiges. Schreiben, das sollte man den Profis überlassen, den Autoren, den besonders Begabten, ja, den Genies. Denn die Mehrzahl der Leute kriegt doch nichts Ordentliches zustande, oder?

Wer (wie ich) schon mal in einem Verlag gearbeitet hat, der weiß, wie leicht es ist, über sogenannte „Hobbyautoren“ die Nase zu rümpfen. Der pensionierte Geschichtsprofessor, der seine langweiligen Kindheitserinnerungen auf 283 Seiten ausbreitet. Die junge Studentin, die ihren mittelmäßigen Liebesroman in ein rosa Plüschkuvert packt, um ja nicht übersehen zu werden. Der Fantasy-Freak, der eine hundertstrophige Elegie gedichtet hat und nun hofft, damit ganz groß rauszukommen… sind die nicht alle ganz schön peinlich?

Der Reflex sagt: Ja. Niemand braucht solche Texte, niemand will so was im Bücherregal stehen haben, niemand will so was lesen. Die sollen doch bitte alle den Stift weglegen und lieber in der Nase popeln.

Aber HALT! Wie wäre es denn, wenn Schreiben etwas gesellschaftlich Akzeptiertes wäre. Es Gewöhnliches. So etwas wie… Fußball? Hier mein kleines Gedankenexperiment:

Was wäre, wenn man nur noch Profis Fußball spielen lassen würde – und den Amateurfußball, nun ja, sagen wir mal, abschaffen würde? Wenn man den Spielern, die für ihren lokalen Verein Sonntag für Sonntag auf dem Platz stehen und sich die Knie schürfig schlagen… wenn man denen sagen würde: Was bildet ihr euch ein, Fußball spielen zu können? Es will doch keiner sehen, was ihr da fabriziert. An einen Thomas Müller werdet ihr nie herankommen – also lasst es besser bleiben.

Krasse Idee, oder? Allein in Deutschland sind sechs Millionen Menschen in Fußballvereinen aktiv, hinzu kommen geschätzte vier Millionen Hobbykicker, die auf irgendeinem Bolzplatz ihrer Leidenschaft frönen. Die meisten von ihnen werden niemals Fußballprofi werden, nie in der Bundesliga spielen, vielleicht noch nicht mal mit ihrem Verein in die Bezirksliga aufsteigen. Und dennoch käme nie jemand auf die Idee ihnen vorzuwerfen: Warum machst du das? Weil einfach klar ist, dass es pure Lebensfreude ist, Fußball zu spielen (das leuchtet sogar mir ein!).

Mit dem Schreiben ist das genau so. Schreiben ist Lebensfreude. Niemand braucht eine Erlaubnis um es zu tun. Jeder kann sich Zettel und Stift schnappen, so wie jeder mit Ball und ein paar Freunden raus auf den Platz gehen kann. Und nur weil sich kein Verlag für das interessiert, was man beim Schreiben produziert, heißt das noch lange nicht, dass es wertlos ist – so wie jeder Spieler auf dem Platz gebraucht wird, auch wenn kein Scout nach ihm kräht. Die Write-it-yourself-Bewegung zeigt, dass Schreiben keine Frage von Genialität ist, dass man es einfach tun kann. So wie jeder sein Zimmer stylisch einrichten oder sich eine coole Mütze häkeln kann. Das ist urdemokratisch und das gefällt mir.

Und, wenn wir die Fußballanalogie mal weiterspinnen, dann ist es auch ganz normal und plausibel, dass nur einige wenige mit dem Schreiben a) berühmt werden und b) damit auch richtig viel Geld verdienen, so wie auch nur einige wenige Fußballfreaks a) berühmt werden und b) mit dem Fußballspielen richtig viel Geld verienen. Denn es geht eben nicht nur um Können, oder um Geschick, Disziplin, Zähigkeit… wie viele Fußballer haben genau das und sind dennoch nicht ganz oben? Eben. Es kommt doch einzig und allein darauf an, auf dem Platz zu stehen. Das ist alles, was letztlich zählt.

Also: Schreibt!

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