
Warum ich keine „Schreibroutine“ habe
Ich weiß nicht, ob du das kennst, aber es gibt da ja diese Vorstellung von der „Schreibroutine“, die man als Autorin und Autor zwingend notwendig braucht: Einen festen Rhythmus, tägliches Schreiben jeden Tag, ein Wortlimit, dass man bewältigen muss, einen Seitenzahl, die in jedem Fall geschrieben werden muss, ein Zeitfenster, das fest eingeplant ist und nur dem Schreiben gehört.
Ich scheiß‘ drauf.
Wirklich, – und bitte verzeih dieses Ausdruck – ich scheiß‘ drauf! Es ist mir egal. Ich habe keine solche „Schreibroutine“. Und werde hoffentlich auch nie eine haben. Schon wenn ich das Wort höre, rollen sich mir die Zehennägel auf.
Routine. Brrr… etwas, was immer immer gleich abläuft. Ein Korsett, dass ich mir aufzwinge. Seitenzahlen die ich mir abringe. Das läuft so für mich nicht.
Für mich ist Schreiben nicht Routine sondern Spiel. Es ist licht, es ist leicht… und es eigentlich auch von sich aus nichts, was ich mir künstlich aufzwingen müsste. Ich habe sowieso einen natürlichen Drang zu schreiben und mich künstlerisch auszudrücken. Immer!
Und ich habe im Laufe meines Lebens gemerkt: Das einzige, was ich tun muss, um in diesem Spiel zu bleiben ist: Meinen Alltag nicht zu voll zu stopen. Genug Pausen haben. Mein Leben so zu organisieren, dass automatisch Zeit zum Spielen bleibt. Und zwar, ohne, dass ich diese Zeit streng organisieren muss.
Für mich funktioniert es nicht, extra eine halbe Stunde früher aufzustehen, um vor der Arbeit noch mein Schreibpensum „abzuarbeiten“. Für mich funktioniert es nicht, mir im Kalender Timeslots einzutragen für „freie Schreibzeit“. Es geht nicht. Nicht für mich.
Und das „nicht für mich“ ist deshalb so wichtig, weil ich weiß, dass es für andere Schreibende so funktioniert. Es gibt Menschen, die lechzen nach ihrer täglichen „Schreibroutine“ – wie auch immer sie aussehen mag. Die mögen das, die können das, die brauchen das.
Für mich ist es anders.
Ich betreibe meine Kunst „in den Ritzen des Alltags“, wie es Improschauspieler Mario Müller nennt (Danke für das großartige Bild!). Ich betreibe meine Kunst an jenen unscheinbaren Stellen meines Alltags, an denen sich Lücken und Brüche auftun. Und alles, was ich tun muss, ist dafür zu sorgen, dass mein Alltag genug Ritzen hat, durch die Licht einfällt.
Wenn du also auch mit der Idee der „Schreibroutine“ haderst, dann probiere es doch mal genau so. Halte Ausschau nach den Ritzen des Alltags. Und greif zu, wenn sich eine günstige Lücke auftut. Schreib genau dann, wenn dir danach ist, ohne dich an irgendwelche festen Zeiten zu halten: direkt nach dem Aufwachen, an einem leeren Samstagsabend, in der U-Bahn, nachs um halb vier.
Und vertrau darauf, dass diese Ritzen völlig genügen. Denn es geht nicht um Selbstgeißelung. Es geht um das schönste, heißeste Vergnügen, das es auf dieser Welt gibt: Zeit verbringen mit deinem kreativen Ich.
Foto: „IMG_7633″ by Greg Wolf (CC BY 2.0)
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