Warum Schreibblockaden nicht existieren

Warum Schreibblockaden nicht exisiteren

Gibt es Schreibblockaden?

Glaubt man dem Internet, dann hat fast jede Autorin, fast jeder Autor damit zu kämpfen. Mit diesem großen, gefährlichen Etwas, das einen hinterrücks überfällt. Diesem Etwas, dass das Schreiben komplett blockiert. Und zack – geht gar nichts mehr.

Schreibblockade, das ist Ende Gelände.

Schreibblockade, darauf muss man gefasst sein – und sich am besten mit den 11 besten Tipps und 333 ultimativen Ratschlägen gegen Schreibblockaden wappnen.

Von Schreibblockaden haben sogar schon Leute gehört, die nicht professionell schreiben. Das merke ich immer wieder bei meiner Arbeit als Schreibcoach.

Anfang Oktober war ich zum Beispiel an der Hochschule in Ravensburg-Weingarten und habe für Studenten der Sozialen Arbeit ein Seminar zum Thema Kreativen Schreiben gehalten. Wir hatten zwei Tage intensiv gearbeitet und viele Texte mit unterschiedlichen Methoden geschreiben. Ganz zuletzt fiel einer Studentin noch eine Frage ein: Wie das denn eigentlich sei, mit der „Angst vor dem leeren Blatt Papier“… ?

Ich fragte zurück, ob sie denn in den vergangenen Tagen zu irgendeinem Zeitpunkt „Angst vor dem leeren Blatt Papier“ gehabt hätte. Nö, meinte sie. Siehste, sagte ich.

Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass das mit dem „Angst vor dem leeren Blatt Papier“ ein Mythos ist… genauso wie die Rede von der „Schreibblockade“. Und wir Schreibenden tun uns nichts Gutes, wenn wir in diesen Metaphern sprechen. Im Gegenteil – ich glaube, dass Menschen, die darauf beharren, dass sie eine Schreibblockade haben und immer wieder um diesen Gedanken kreisen, wie blockiert sie doch von diesem Etwas sind… gar nichts erreichen.

Wobei ich allerdings nicht in Abrede stelle, dass es beim Schreiben Zustände gibt, in denen man sich blockiert fühlt. In denen nichts vorwärts geht, schon gar nicht so, wie man es gerne möchte. Aber da treibt kein nach Autorenblut lechzender Vampir sein Unwesen – sondern in den meisten Fällen ist es schlicht und einfach:

Angst.

Angst zu haben ist ein natürlicher Reflex. Wir verdanken unserer Angst, dass wir am Leben sind – denn sie ist es, die uns davor bewahrt, ohne links und rechts zu schauen über eine vielbefahrene Straße zu fahren. In einigen Fällen ist Angst also eine richtig gute Sache.

Das Problem mit der Angst beginnt, wenn wir Dinge tun, wie zum Beispiel ein Lied zu komponieren und es zum ersten Mal jemand vorzuspielen. Oder einen Text zu schreiben und ihn einem Schreibcoach zum Lesen zu geben. Dann meldet sich die Angst auch – aber nicht, weil das, was wir tun, tatsächlich lebensgefährlich ist, sondern weil wir uns schützen wollen.

Denn vor unserem inneren Auge werden wir bereits ausgelacht. Für unsere peinlichen Ideen, für unser unzureichendes Können, im schlimmsten Fall für unser ganzes jämmerliches Dasein.

Wir haben also keine „Angst vor dem weißen Blatt Papier“. Warum sollte jemand vor einem weißen Blatt Papier Angst haben? Gibt es etwas daran, was wirklich furchteinflößend ist?

Nö.

Wir haben vielmehr Angst davor, was andere über uns denken und sagen könnten. Und wir haben Angst vor unserer eigenen Reaktion darauf, vor Wut, Trauer  und Scham.

Der einzige für mich praktikable Weg mit dieser Angst umzugehen, ist für mich: Die Angst da sein lassen. Denn mit jedem Widerstand gegen die Angst, bläht sie sich mehr auf und wird größer und größer.

Neulich hatte ich zum Beispiel so einen Moment. Ich war dabei, meine Schreibwerkstatt zum Thema „Mein kreatives Ich“ vorzubereiten… und kriegte einfach nichts zustande. Ich ordnete meine Unterlagen und Papiere, trug Material zusammen, aber kam nicht zum Eigentlichen. Bis ich merkte, dass es nicht daran lag, dass ich uninspiriert war, sondern einfach Angst hatte.

Als ich das klar hatte, saß ich an meinem Schreibtisch, Auge in Auge mit der Angst. Ich konnte ihr direkt in die Augen sehen. Es war, als würden wir uns miteinander messen, nicht feindselig, sondern mit allergrößtem Respekt. Dann gab ich mir einen Ruck, streckte die Hand aus und sagte zur Angst: Okay, komm, lass uns das gemeinsam tun.

Und plötzlich kam ich voran, wusste, was zu tun war. Und die Vorbereitung war innerhalb weniger Stunden erledigt.

Angst zu haben ist normal. Angst beim Schreiben zu haben ist normal – und ich glaube, das zu wissen ist wichtig.

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir weniger über diese grusligen, niederträchtigen „Schreibblockaden“ und mehr über die stinknormale Angst sprechen sollten.

Denn wenn du die Augen aufmachst und dir die Realität ansiehst, dann weißt du, dass das Schreiben NIE das Problem ist, solange deine Hand unverletzt ist und du den Stift in der Hand halten oder auf einer Tastatur tippen kannst.

Und du weißt auch, dass das weiße Blatt Papier vor dir ist NIE das Problem ist. Denn das Papier liegt einfach da, vor dir auf dem Tisch, und wartet in aller Ruhe darauf, dass du wieder zu Sinnen kommst und loslegst.

So einfach ist das.

PS: Wenn du absolut nicht weiterweißt, können wir auch im Schreibcoaching einen genauen Blick drauf werfen, was dich blockiert und warum du mit dem Schreiben nicht weiterkommst. Die Lösung liegt meistens schon in deiner Hand 😉

Foto: cc flickr.com (Andy Blackledge)

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4 Kommentare

  1. Veröffentlicht von papiertänzerin am 25. November 2017 um 18:52

    Danke für deine klaren Worte & den Mut, das Ding beim Namen zu nennen. Wer hat schon gern Angst, dann schon lieber eine Blockade oder das schreckliche weiße Blatt 😉 Ich schließe gerade Freundschaft mit meiner Angst. Und sie hat viel zu erzählen (upps, und schon ist das Blatt voll 😉 )

    • Veröffentlicht von Franziska Schramm am 25. November 2017 um 19:23

      Wunderbar! Wer Freundschaft mit seiner Angst schließt, muss sich nicht mehr vor ihr fürchten 😉

  2. Veröffentlicht von Annette am 27. November 2017 um 16:14

    Sehr schöner Text! Das triffts auch für Doktorarbeiten 😉
    Kannst du auch mal was zum inneren Schweinehund schreiben? Manchmal weiß ich genau, was ich schreiben will aber drücke mich den ganzen Tag davor es zu tun… und quäle mich dabei selbst!

    • Veröffentlicht von Franziska Schramm am 27. November 2017 um 20:16

      Ja, stimmt, das gilt auch für Doktorarbeiten 😉
      Der „innere Schweinhund“ heißt bei mir „Innerer Kritiker“. Das ist jene Instanz, die uns vom Schreiben abhält, obwohl wir guten Willens sind und produktiv sein wollen. Und die allerbeste Strategie, die ich kenne, um mit dem „Inneren Kritiker“ umzugehen, ist: Kontakt aufnehmen. Bevor du dich an die Doktorarbeit setzt, nimmst du dir ein leeres Blatt Papier (oder öffnest ein leeres Dokument auf dem Laptop). Dann lauscht du in dich hinein, was das ist, was dich gerade vom Schreiben abhält und versucht, voruteilsfrei zuzuhören. Hat dein „Innerer Kritiker“ berechtigte Einwände oder hat er einfach nur Angst? Meiner Erfahrung nach verliert der „Innerer Kritiker“ seine blockierende Wirkung, sobald er gehört wird. Mehr dazu findest du in einem alten, aber immernoch aktuellen Blogartikel von mir: https://franziskaschramm.de/3-dinge-die-man-ueber-den-eigenen-inneren-kritiker-wissen-sollte/
      Ahoi und liebe Grüße nach Tübingen! 🙂

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