Wie meine Texte mich ins Leben bringen

Wie meine Texte mich ins Leben bringen

Es gibt ja diese recht einseitige Vorstellung von kreativer Arbeit – ich weiß nicht, ob ihr das kennt. Diese Vorstellung, dass man als Autor etwas erschafft. Ein Werk in die Welt stellt. Der Urheber von etwas ist.

Ich lerne mehr und mehr, dass das viel zu kurz gegriffen ist.

Zum ersten Mal über diesen Gedanken gestolpert bin ich bei Autorin Elizabeth Gilbert, die von sich selbst sagt: „Meine kreative Arbeit ist nicht mein Baby; wenn überhaupt, bin ich ihr Baby. Alles, was ich je geschrieben habe, hat mich überhaupt erst zur Welt gebracht.“

Wow. Was für n Ding!

Es hat eine Weile gebraucht, bis ich mich auf diese Idee eingelassen habe… und tatsächlich, so langsam sickert in mich hinein, wie befreiend diese Haltung ist. Denn sie bedeutet, dass ich mich gar nicht so arg abschuften und abrackern muss beim Schreiben. Dass ich nicht krampfhaft und verbissen etwas in die Welt bringen muss – sondern darauf vertrauen darf, dass meine Texte mich in die Welt bringen.

Am vergangenen Wochenende habe ich das sehr deutlich erlebt.

Ich habe es hier schon erzählt, ich habe den Förderpreis der Wuppertaler Literatur-Biennale gewonnen. Und war nun also am Sonntag eingeladen, zur Preisverleihung nach Wuppertal zu fahren. Erst war ich mir nicht sicher, ob ich dort überhaupt hin will – denn ich kenne niemanden in Wuppertal und hatte Sorge, dass das eine sehr lahme Veranstaltung wird, bei der ich ganz alleine mit meinem Wasserglas rumstehe und mich verloren fühle.

Als ich mich dann aber auf das Abenteuer eingelassen habe, sind wirklich tolle Dinge passiert.

Ich bin Schwebebahn gefahren, zum ersten Mal in meinem Leben. Ich habe zwei Autorenkollegen kennen gelernt, die mich inspiriert und angestupst haben, die Sache mit dem Schreiben ernst zu nehmen. Ich habe eine Lehrerin kennen gelernt, die mit vollem Herzblut Literatur und Theater unterrichtet. Ich war in einer Bio-Schulkantine essen. Ich habe eine Lesung bei Technik-Totalausfall gehalten. Und ich habe erlebt, wie für mich gesorgt wurde, wie ich gehalten und getragen wurde von Menschen, die mir ihre herzliche Zuwendung und Gastfreundschaft geschenkt haben.

All diese Dinge hätte ich verpasst, hätte ich nicht diesen einen Text geschrieben.

Und genau deshalb bleibt von meinem Kurztrip nach Wuppertal ein Gefühl zurück… und dieses Gefühl ist nicht Stolz, sondern Dankbarkeit.

Denn ja, ich kann mir auf die Fahnen schreiben, dass ich mit meinem Text etwas erreicht habe, dass mir ein Preis verliehen wurde, dass meine Arbeit gewürdigt wurde. Aber mindestens ebenso wahr ist es, dass dieser Text mich an Orte gebracht hat, die ich sonst nicht betreten hätte, mich Dinge gelehrt hat, die ich sonst niemals erfahren hätte.

Und vielleicht, ihr Lieben, ist es genau so. Vielleicht schreiben wir gar nicht, um etwas zu erschaffen. Vielleicht schreiben wir, weil unsere Texte uns erschaffen. Weil sie uns an Orte bringen, an denen wir noch nie waren. Weil sie uns freundlicher und weiser machen, großzügiger mit uns und unseren Mitmenschen.

Und wenn das nicht das größte Glück der Welt ist, dann weiß ich auch nicht.

Wenn du meinen Beitrag kommentierst, werden deine Daten nur im Rahmen deines Kommentars gespeichert und nicht an Dritte weitergegeben. Es gilt meine Datenschutzerklärung.

1 Kommentar

  1. Veröffentlicht von Ellen am 23. Mai 2018 um 17:11

    oh wie schön du dich immer wieder auf´s Neue erschaffen „lässt“. GRATULATION für dich und dein Werk(eln). Von Herzen und da freu ich mich auf ein Me(e)hr von dir. Wo gibt es denn deine differenzierte (Ab)Kassierer Geschichte zu lesen? Käuflich zu erwerben?
    Einen SonnenGruss von der ALB

Hinterlassen Sie einen Kommentar





+ 16 = 17